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Texas Roadtrip #5

Wir erwachten am nächsten Morgen in Crawford, einem kleinen Kaff mit rund 900 Einwohnern. Es sticht überhaupt nicht aus der Masse kleiner Siedlungen heraus, die man überall dort findet. Fast jedenfalls, denn Crawford beheimatet eine Kaffeerösterei mit angeschlossenem Café. Selbstverständlich war sie an diesem Morgen geschlossen -Ruhetag.
Wir sind also zu einem klassischen Frühstücksrestaurant gefahren, ähnlich IHOP oder Perkins o.ä., nur eben kein Bestandteil einer großen Kette. Ich hatte einen French Toast, gefüllt mit einer Art Puddingcreme und frischen roten Früchten. Das Frühstück war kalorienreich, ungesund und lecker. Wie man das in den USA eben erwartet. Well done.

Wieso Waco?

Die Frage ist durchaus legitim. Miriam hat auch Erinnerungen an Waco, darüber hinaus haben wir hier auch eine bezahlbare Unterkunft gefunden. Zu guter Letzt liegt es natürlich auch ganz praktisch auf unserem Weg zurück nach Dallas/Fort Worth.
Wer gerne HGTV oder ähnliche Sender schaut, kennt bestimmt diese ganzen „House Flipper“-Sendungen. Wer sie nicht kennt, das Prinzip ist immer gleich: Menschen kaufen ein Haus, vorzugsweise voll heruntergekommen und günstig, renovieren es, richten es ein und verkaufen es am Ende gewinnbringend weiter. Es gibt eine wahre Flut an solchen Sendungen aus vielen Städten der USA, so natürlich auch aus Waco. Das besondere hier: Chip & Joanna Gaines sind wahre Pioniere dieses Genres, ihre Sendung „Fixer Upper“ war von 2013 bis 2018 ein Goldesel für HGTV. Mittlerweile ist das Ehepaar Gaines ein unternehmerisches Schwergewicht. Sie betreiben einen eigenen TV Sender, veröffentlichen Kochbücher, Merchandise, Möbel und Innenausstattung und allerlei Gedöns. Der Gipfel der Absurdität, zumindest meiner bescheidenen Ansicht nach, ist „Magnolia“, eine Art manifestiertes Gaines-Imperium zum anfassen und rumlaufen. Es handelt sich um ein altes, zwei Blocks großes Industriegelände mitten in der Stadt. Die beiden haben es nach und nach gekauft und verschiedene Geschäfte und Gastronomie eröffnet. Es gibt dort eine Bäckerei, einen Coffeeshop, eine Art Möbelhaus, ein Geschäft für Accessoires, Einrichtung und Nippes, einen Schmuckladen, ein Kleidungsgeschäft und so weiter und so fort. Alles eingebettet in einen durchgestalteten, hippen schwarz/weiss Stil mit Kleinstadtflair und Hallen, die dieses Loft-Gefühl versprühen. Das wirkt alles sehr ästhetisch, klar, man darf aber nie vergessen: Nichts hier ist dem Zufall überlassen.

Und du feierst das, Oliver?

Ich möchte mich an dieser Stelle, bevor ein völlig falscher Eindruck entsteht, eindeutig und unmissverständlich von den Gaines und dieser Sendung (dem ganzen Format) distanzieren -ich mag das nicht. Was ich auch nicht mag, ist diese unfassbare Kommerzialisierung, die einem an diesem Ort und überall entgegenschlägt. Also wirklich. Das ist alles so durchkonstruiert, ich kann denen kein Wort glauben. Von wegen, Joanna steht noch fröhlich am Landhausküchenherd und backt irgendwelche Plätzchen für ihr Kochbuch, Whatever.
Versteht mich nicht falsch, ich erkenne den Erfolg an, den die Gaines haben. Das kommt ja nicht von ungefähr und ich bin mir sicher, sie zahlen einen hohen Preis für ihren Erfolg (bzw. haben gezahlt), da man als „Content Creator“, wie das so schön heißt, ja nicht mal eben in den Urlaub fahren kann ohne entsprechend vorzuproduzieren. Alles schön und gut.
Das Maß an Perfektion und offensichtlicher Geldmaschinerie wirkte trotzdem unangenehm auf mich. In der Möbelausstellung zum Beispiel werden „Einzelstücke“ verkauft. Diese Einzelstücke sind oft sehr heruntergekommene Möbel aus 1900-1970, die jahrzehntelang in irgendeiner Scheune sich selbst und dem Holzwurm überlassen waren. Dann hat man sie ein bisschen sauber gemacht, herausgeputzt und sie dort hingestellt -da kostet so eine Kommode dann auch mal schnell 5000 US Dollar. Das gleiche findet sich ja auch bei uns im Kleinanzeigenmarkt oder in darauf spezialisierten Geschäften, hat hier aber noch mal einen ganz anderen Maßstab.

Um meine kleine Wutrede noch abzuschließen: Auf dem Grundstück steht eine Kirche (das Gebäude, keine geweihte Kirche), die Chip & Joanna so schön fanden und von ihrem ursprünglichen Standort retteten. Sie bekam ein neues Zuhause auf ihrem Magnolia Grundstück. Weil sie das Gebäude retten wollten. Weil es so schön ist und ein historisches Zeugnis. Das ist zumindest die Geschichte, die so oder so ähnlich auf der dazugehörigen Plakette steht. Zufälligerweise kann man das Gebäude für Trauungen mieten. Zufälligerweise kann man direkt daneben mit vielen Gästen feiern, inkl. Bewirtung. Da kommt so eine Kirche ja gelegen…

Die beiden betreiben außerdem noch Luxusunterkünfte (z.B. bei Airbnb) für entsprechendes Kleingeld.

Das Waco-Mammut

Harter Schnitt, anderes Thema. Etwas außerhalb von Waco haben zwei Freunde im Jahr 1978 Knochen im Wald gefunden und sie, so die Geschichte, glücklicherweise nicht behalten, sondern in wissenschaftliche Hände übergeben. In den folgenden Jahrzehnten wurden dort viele Mammuts und andere (Teil-)Fossilien freigelegt. Die Besonderheit dieser Ausgrabungsstätte liegt darin, dass eine ganze Herde wohl von einem einzelnen Ereignis getötet wurde, die Tiere schnell von Schlamm bedeckt wurden und so ziemlich vollständig in ihrer natürlichen Position zum Zeitpunkt des Todes konserviert wurden.

Der Park ist seit der Obama-Administration 2015 ein Nationalpark der USA. Der Eintritt inkl. Führung durch einen Ranger kostet 6 US Dollar, wir haben uns dort ca. 1,5 Stunden aufgehalten. Das war alles ganz interessant und eine willkommene Abwechslung, auch wenn ich jetzt kein riesiger Fossilien-Fan bin.

Fort Worth

Am nächsten Tag ging es weiter in Richtung Fort Worth. Die Kaffeerösterei war heute offen, ich habe es mir also nicht nehmen lassen direkt den ersten Morgenkaffee mit ins Auto zu nehmen. Er war ganz okay. Für mehr war allerdings keine Zeit, denn wir wollten pünktlich um 11:00 Uhr beim historischen Viehmarkt („The Stockyards“) sein, weil dort täglich die Longhorns durch die Straße spaziert werden. Unterwegs haben wir ein Sandwich bei Schlotzsky’s gekauft.

Kurze Randnotiz: Ich habe mich eine Woche lang über diesen Namen lustig gemacht, bis wir dann doch tatsächlich dort etwas gekauft haben. So ekelhaft wie die Namensassoziationen sind, war es aber nicht. So legendär, wie ein „Austin Original“ es vermuten lässt, aber auch nicht.

Wir haben es natürlich nicht pünktlich nach Fort Worth geschafft, der Verkehr hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Auch wenn „historischer Viehmarkt“ eigentlich die richtige Bezeichnung ist, ist es doch mittlerweile alles Fake für Touristen und vollgestopft mit Souvenir-Shops, Gastronomie, Bars, einer Bullriding/Rodeo-Halle und der durch Spenden finanzierten Longhorn-Herde als Touristenattraktion.

Auch wenn wir den „Cattle Drive“ durch die Straßen verpasst haben, konnten wir uns die Longhorns natürlich ansehen. Es fand eine ca. halbstündige, kostenfreie Informationsveranstaltung/Animation statt, die wir natürlich mitgenommen haben. Es wurde viel über die Historie der Viehzucht und dem Viehhandel in Texas gesprochen und einige Details erläutert, die ich schon wieder vergessen habe. Wer sich im Detail dafür interessiert, kann das gerne hier nachlesen.

Die Rinder werden dort nicht für landwirtschaftliche Zwecke, sondern als Haustiere bzw. Touristenattraktion gehalten. Da wird auch nichts von gegessen, sondern die Leben da einfach, bis sie irgendwann alt sind und sterben. Es wird auch nicht selbst gezüchtet, die Tiere werden gespendet. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, handelt es sich ausschließlich um kastrierte Bullen, also Ochsen. Die zur Verfügung stehenden Flächen scheinen auch relativ großzügig gestaltet zu sein. Wieso ich das alles aufzähle? Es gibt viele Tierattraktionen, die ich absolut verachtenswert finde (Hallo Zirkus), das hier konnte ich mit meinem Gewissen vereinbaren, auch weil ich keine finanzielle Unterstützung geleistet habe.
Ich will da gar nicht überall den großen Bewusstseinsstempel draufdrücken, erwähnen wollte ich es an dieser Stelle trotzdem einmal.

Was nun?

Wir haben unser Auto am Flughafen abgegeben, uns dort wieder mit dem Florida-Teil der Familie getroffen und sind wieder in „unser“ Airbnb nach Hico zurückgekehrt. Die nächste Woche gehörte dann alleine der Familie. Da gibt es nichts zu erzählen, weshalb es dann beim nächsten Mal ENDLICH darum geht, weshalb wir eigentlich aufgebrochen sind: Südamerika. Genauer: Lima, Peru.

Bis dahin!

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