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Oxapampa & Pozuzo

Die Fahrt mit dem Nachtbus war eher mäßig erholsam. Es hat im Bus sehr intensiv gerochen, vermutlich nach Erbrochenem, das nur hastig aufgewischt wurde. Es ist immer mal wieder ein Schwall an unseren Sitzen vorbeigezogen, der Sitz am Gang war viel stärker betroffen als der Sitz am Fenster. Ich bin ja olfaktorisch von der empfindlichen Sorte und Miriam hat mir direkt angeboten, den Platz mit mir zu tauschen (sie sitzt eigentlich immer am Fenster, das ist normal bei uns). Ich habe das Angebot dankend angenommen. Spoiler: Sie hat das im Laufe der Fahrt mehrfach bereut.

Oxapampa liegt „auf der anderen Seite“ der Anden, aber noch in einer Hochebene auf ca. 1800 Metern und nicht im Amazonasbecken. Die Temperaturen hier sind demnach noch nicht tropisch, die Vegetation erinnert aber schon stark daran.

Die Deutschen sind einfach überall

Oxapampa ist auf unserem Radar aufgetaucht, weil es eine deutsche bzw. deutschsprachige Siedlung in Peru ist. Bevor hier gleich alle Alarmglocken schrillen: Nein, keine geflüchteten Nazis. Es handelt sich um Auswanderer aus dem Jahrhundert davor.
Ähnlich verhält es sich mit Pozuzo, welches eine mehrstündige Autofahrt über sich dahinwindende Schotterpisten und Serpentinen durch den Dschungel entfernt liegt und der eigentliche Ursprung der deutsch/österreichischen Siedler war. Wikipedia schreibt dazu:

In der Zeit der Republik begann die Kolonisation von Pozuzo durch österreichische und deutsche Siedler. Unter der Führung des Barons Damian Schütz von Holzhausen wurde mit dem peruanischen Präsidenten Ramón Castilla ein Vertrag zur Kolonisation des zentralen Tieflandes unterzeichnet. Holzhausen verpflichtete sich, 10.000 Siedler nach Peru zu bringen.

1857 verließen 200 Tiroler und 100 Deutsche aus den preußischen Rheinlanden und von der Mosel unter der geistlichen Führung des Priesters Joseph Egg für immer ihr Heimatland. In einer mehrmonatigen Reise mit dem Schiff Norton erreichten die Kolonisten Peru. Nach der anstrengenden Reise mussten die Ankömmlinge aber noch die Anden überqueren und sahen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass die peruanische Regierung den Weg vom Hochland nach Pozuzo nicht gebaut hatte. Trotz des schweren Anfangs kamen schließlich 1889 rund 170 Kolonisten in Pozuzo an und begannen das Gebiet dauerhaft zu besiedeln. Das enge Tal in Pozuzo war schwierig zu bewirtschaften, und das Klima war heiß und feucht. Eine Gruppe mehrheitlich deutscher Kolonisten suchte nach neuen Gebieten, die weniger heiß und einfacher zu bewirtschaften waren. Sie gelangten ins heutige Oxapampa und gründeten am 30. August 1891 die neue Kolonie.

https://de.wikipedia.org/wiki/Oxapampa

Zu Pozuzo erzähle ich später mehr, erstmal geht es um Oxapampa.

Nachtbus, buuuuuuh, müüüüde!

Wir stiegen, natürlich völlig gerädert, aus dem Nachtbus aus. Es hat natürlich die ganze Nacht gestunken, außerdem hat sich die Frau vor mir dazu entschieden, ihren Sitz komplett nach hinten zu machen. Das ist natürlich ihr gutes Recht und auch irgendwie der Sinn in einem Nachtbus, meine eingeklemmten Knie schränkten den Bewegungsradius meiner Beine allerdings erheblich ein. Ich war froh, als wir endlich aussteigen konnten.

Ich hatte mit dem Besitzer der Unterkunft abgemacht, dass wir uns nach unserer Ankunft melden sollten. Check-In war eigentlich erst am Mittag, aber er wollte uns dann morgens mitteilen, ob und wann wir unsere Unterkunft früher beziehen können. Ein paar Minuten vom Busbahnhof entfernt gab es ein Frühstückslokal, welches ich im Bus herausgesucht habe. Das war unser erstes Ziel, wir waren beide hungrig.

Großartiges Frühstück

Das „Lokal“ ist im Vorgarten/auf der Veranda eines normalen Einfamilienhauses, ist familiengeführt und hat auch nur fürs Frühstück geöffnet. Nach einer kurzen Wartezeit konnten wir uns an einen freien Tisch setzen und haben die Karte studiert.

Es gab typische peruanische Frühstücksgerichte, wir bestellten beide die vegetarische Option: Spiegelei, Brot, karamellisierte Kochbanane, einen frischgepressten Saft und einen Kaffee für mich bzw. einen Tee für Miriam. Ich fand das ziemlich lecker. Vor allem war es so unfassbar günstig, dafür hätte ich in Miraflores nur den Kaffee bekommen. Mittlerweile hat sich auch der Besitzer vom „Frankfurter Hof“ in der Frankfurter Straße gemeldet -unser Apartment ist frei, wir können direkt vorbeikommen. Sehr erfreulich, wir hatten einfach nur Lust, uns hinzulegen.

Ein bisschen groß…

Wir mussten ein bisschen größer buchen, da es in dieser Unterkunft kein anderes Zimmer mehr gab und alle anderen Hostels im Ort erheblich teurer waren. Wir entschieden uns also für die de facto Ferienwohnung mit zwei Schlafzimmern, einem große Wohnzimmer und einem Balkon.
Das klingt jetzt erstmal total toll, als wir dort ankamen, war es aber ein bisschen ernüchternd. Die Deckenhöhe lag zwischen 160cm und 180cm, ich konnte mich also nur gebückt durch Schlafzimmer, Flur und Bad bewegen. Außerdem war alles dort von einer feinen, weißen Staubpatina überzogen. Ich weiss nicht, ob das der Dreck von der staubtrockenen Schotterstraße vor dem Haus war oder der Schmutz der Baustelle im Haus, denn dort war eine halbfertige Küche, die ins Wohnzimmer integriert werden sollte. Die Baustelle hat mich nicht interessiert, da ich ja nichts mit Küche gebucht habe und das auch nicht im Weg war, alles kein Problem. Der Staub war aber wirklich nervig und ich hätte erwartet, dass man zumindest mal durchwischt, bevor man (zahlende) Gäste empfängt. Ansonsten war es natürlich recht gemütlich, alles aus Holz und durch die ausladenden Fensterfronten auch sehr hell.

Oxapampa

Der Ort ist anders und hat definitiv Einflüsse aus Europa. Ich fühle mich bei Anblick der Holzhäuser eher an Zakopane in Polen als an Österreich erinnert, aber man merkt den deutlichen Unterschied. Natürlich darf der peruanische Einschlag nicht fehlen, so gibt es noch immer viel Plastikfolienwerbung, Ziegelsteinhäuser und das gewöhnliche Durcheinander. Manche der Häuser haben eine Holzfassade, um den Schein aufrecht zu erhalten und ihre hässlichen Ziegelstein- und Betonmauern dahinter zu verstecken. Die Formulierungen aus dem Lonely Planet sind natürlich übertrieben: ich habe kein einziges deutsches Wort auf der Straße gehört, noch scheint man sich hier wirklich dafür zu interessieren.

Den ersten Tag haben wir nichts großartiges gemacht. Ich habe die Wiederholung des Eintracht-Spiels geschaut, wir haben uns im Ort umgesehen und uns informiert, welche Touren hier angeboten werden. Die Preise, die wir auf Flyern und Online gefunden haben, kamen uns ein bisschen spanisch vor (haha), weshalb wir im Ort nochmal in das erstbeste Office gelaufen sind. Und siehe da: Die Tour kostete hier 30 Soles (statt 100 oder mehr) und der Anbieter machte auch einen seriösen Eindruck. Wir buchten hier also eine Tour nach Pozuzo mit ein bisschen drumherum für den nächsten Tag.

Unser Tagesausflug

Wir hatten uns am Vortag zwei kleine Portionen Cornflakes und eine kleine Packung Milch in einem Minishop gekauft, damit wir etwas im Bauch haben, bevor wir aufbrechen. Die Idee war sehr gut, ich habe die peruanischen Milchvorlieben allerdings unterschätzt. Unter 6% Fettgehalt geht hier natürlich nichts. In der Frühstücksschüssel war das wirklich widerlich, ich habe mir die Schüssel reingewürgt und hatte einen Fettpelz auf meiner Zunge. Nicht schön.

Anschließend sind wir zum Tour-Office gelaufen und waren pünktlich da. Erstaunte Blicke erklärten uns, dass wir noch 25 Minuten Zeit hätten, bis es losgeht. Ahja. Anscheinend bekommt hier jeder eine falsche Zeit gesagt, damit die Chancen gut stehen, dass die Leute dann auch tatsächlich pünktlich sind.
Wir sind nebenan in ein Café und ich konnte mir einen unverhofften Morgenkaffee gönnen, was meine Laune doch erhebliche steigerte. Danach sind wir in den Kleinbus, haben noch zwei Leute im Ort eingesammelt und los ging die Fahrt!

Wasserfall

Der Guide hat sehr, sehr viel erzählt. Also wirklich viel. Verstanden haben wir natürlich nichts, die Tour war komplett in Spanisch. Beim Preis von 30 Soles auch nicht weiter schlimm, irgendwie waren die Ziele ja auch alle selbsterklärend.
Wir hielten an unserem ersten Stopp, einem Wasserfall, wo jeder sein Handy zückte und ein paar Bilder gemacht hat, wir natürlich auch. Der Guide bot den Teilnehmern seine Hilfe als Fotograf an, was einige dankend annahmen. Nach einer Viertelstunde saßen wir wieder im Bus und sind weitergefahren.

Nach einer Weile kamen wir in eine Siedlung, Prusia, wo wir an einem Restaurant hielten. Das Prozedere, sich Essen für den Nachmittag vorzubestellen, kannten wir ja jetzt schon von anderen Ausflügen. Zu unserer Überraschung gab es auch vegetarische Angebote, u.a. Käsespätzle. Wir haben uns für Kartoffelsalat mit Reis, Kochbanane und Spiegelei entschieden. Dem Eigenverständnis des Restaurants nach war das „typisch preußische“ Küche, ich dachte dabei kurz an Otto von Bismarck, wie er eine Kochbanane isst. Surreal. Danach wieder ab in den Minibus und weiter ging die Reise.

Den Ort Pozuzo haben wir, zu meiner Überraschung, erst mal passiert und übersprungen. Unser nächster Stopp waren die „Aguas Saladas“ (Salzwasser), ein Salzbach und Zufluss für den Rio Huancabamba. Unser Wagen hielt vor einer Hängebrücke, die für schwere Lasten wie Fahrzeuge nicht ausgelegt war. Während sich unser Fahrer daran gehalten hat, sind andere einfach drübergefahren. Das ist Peru.

Aguas Saladas

Nach ungefähr zwanzig Minuten Fußweg mussten wir über eine kleine Hängebrücke und dann unseren Eintritt von 5 Soles pro Person bezahlen (ziemlich fair). Wir waren dort für ungefähr 45 Minuten und ich war für die Erfrischung sehr dankbar. Das Wasser war arschkalt und roch ein bisschen schwefelig, ich konnte mich hinterher aber abduschen und war wieder sauber. Ich fand es super =)

Zurück nach Pozuzo (1)

Auf dem Rückweg hielten wir dann in Pozuzo an. Es gab hier eine kurze Erklärung zum Ort und wir hatten eine halbe Stunde Zeit, alleine herumzulaufen. Die halbe Stunde reicht auch, sonderlich viel gab es nicht zu sehen. Ich würde den Hauptplatz schon ein bisschen als kitschig bezeichnen, es scheint den Leuten hier allerdings zu gefallen.

Wir haben uns noch eine Flasche Wasser gekauft und versucht ein Eis zu Essen -die auf Google Maps auserkorene Eisdiele gab es aber (momentan?) nicht. Wir fanden ein Kiosk mit Softeismaschine und haben uns dann dort etwas gekauft. Es war, vor allem in der Sonne, so heiß, das Eis war eine willkommene Erfrischung.

Mittagessen

Der nächste Stopp war das Restaurant, in dem wir ein paar Stunden zuvor das Mittagessen vorbestellt hatten. Die Organisation lief ziemlich gut (es war proppenvoll) und das Essen kam recht zügig.
Normalerweise sind solche Touristenrestaurants, vor allem wenn sie Teil einer Tour sind, totaler Mist, Bauernfängerei und das Essen von minderer Qualität. Wir hatten Glück, das war hier nicht der Fall. Auch wenn die Komposition, wie schon vorher gesagt, sehr merkwürdig war, der Kartoffelsalat gehört zu den Besten, die ich jemals gekostet habe.
Natürlich durfte zur Unterhaltung der (vorwiegend peruanischen) Touristen auch ein bisschen heimatlicher Tanz nicht fehlen. Mein Gefühl lag irgendwo zwischen Scham und Bewunderung:

Normalerweise halte ich nicht einfach mit der Kamera/dem Smartphone drauf, wenn irgendetwas passiert. Ich kam aber gerade von der Toilette und habe die Gunst der Stunde wahrgenommen.

Zurück nach Pozuzo (2)

Nach dem Essen konnten wir in den zweiten Teil des Ortes laufen und uns dort umsehen. Neben dem zentralen Platz liegen dort noch verschiedene öffentliche Einrichtungen, Geschäfte und nur wenige Wohnhäuser. Es war irgendein Fest im Gange (keine Ahnung, welches) und der Ort war in heller Aufruhr. Es gab Kaffee und Kuchen in der Turnhalle sowie ein Rahmenprogramm auf einer Straßenbühne. Wir haben das Treiben eine Weil beobachtet und uns dann auf den Platz gesetzt und das Wetter genossen.

Nach ca. einer halben Stunde ging es wieder ins Fahrzeug, mittlerweile war es richtig, richtig warm geworden. Die Rückfahrt wurde noch von einem kurzen Stopp an einem anderen Wasserfall unterbrochen.

Danach ging es die ganze Strecke zurück nach Oxapampa. Der Rückweg hat sich stark gezogen, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit und der damit fehlenden Option, sich die Landschaft anzuschauen. Wir kamen gegen 19:30 Uhr wieder in Oxapampa an, suchten uns eine Pizzeria fürs Abendessen und liefen dann zurück in unsere Unterkunft.

Entspannung

Die nächsten Tage haben wir uns gegen Ausflüge entschieden, obwohl wir das erst anders geplant hatten. Die Ziele erschienen uns dann doch nicht interessant genug, außerdem wollten wir mal ein bisschen länger als 6:00 oder 7:00 Uhr liegen bleiben, ich wollte ein bisschen an diesem Blog hier schreiben und Bücher lesen wollten wir ja auch noch irgendwann. Dazu kam die fällige Wäsche, die wir glücklicherweise in der Unterkunft waschen lassen konnten. Völlig optimistisch aufgrund des schönen Wetters haben wir es draußen auf die Leine gehängt und dort auch über Nacht hängen lassen.

Wir hätten es besser wissen müssen, das Wetter hier ist unberechenbar. Am nächsten Morgen sah ich schon das Grau durch das Schlafzimmerfenster, ein kurzer Blick in die Landschaft bestätigte den Verdacht: Dichter Nebel lag im gesamten Tal. Das Wellblechdach warnte uns kurz darauf sehr lautstark und sehr früh über den einsetzenden Regen. Wir sind raus, haben die gesamte nebelfeuchte Wäsche abgehängt und mit reingenommen. Das müsste so gegen 7:30 Uhr gewesen sein. Für diesen Tag war unsere Abreise geplant, weshalb wir die nächsten Stunden damit verbrachten, die Wäsche so gut es ging manuell trocken zu wedeln. Das hat nur bedingt gut geklappt, weshalb einige der Sachen dann leider mit Restfeuchte in den Rucksack wandern mussten.

Weiterreise

Da die Online-Buchung von Bussen außerhalb von Metropolen oder beliebten Routen eher zu Wünschen übrig lässt und viele Busunternehmen sich gar nicht erst die Mühe machen, eine Website zu betreiben, wollten wir „auf die gute alte Art“ weiterreisen: Zum Busbahnhof laufen, schauen wer in unsere Richtung fährt und dann direkt vor Ort bezahlen und einsteigen. Das hat in Südostasien meistens ganz gut funktioniert, wieso sollte das hier nicht auch so sein?

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