Mit den gepackten Taschen sind wir in ein Motorradtaxi (Mototaxi/Trimovil), ähnlich den Tricycles auf den Philippinen oder einem Tuktuk in Thailand. Die Dinger sind hier komplett eingehaust, mit Seitentüren und so weiter. Das ist zwar nett wenn es regnet, ist dadurch aber auch sehr eng. Wir hatten einige Mühe, uns mit unseren beiden großen Rucksäcken hineinzuquetschen.
Wir sind anschließend zum gleichen Frühstücksrestaurant gegangen wie schon bei unserer Ankunft. Diesmal wussten wir ja, dass wir uns für wenig Geld den Bauch ordentlich mit leckeren Sachen vollschlagen können, außerdem ist die Nähe zum Busbahnhof sehr wichtig.
Dort angekommen, war die Tür zum Garten leider zu, es war niemand zu sehen, die Tische waren abgedeckt. Unser Fahrer war so freundlich zu rufen und es kam auch tatsächlich jemand raus. Das Lokal war seit 10 Minuten geschlossen, die Öffnungszeiten auf Maps waren um eine Stunde falsch eingetragen. Ohne unser zutun, wir wären nämlich gerne gegangen und wollten uns nicht aufdrängen, haben der Fahrer und der Sohn miteinander gesprochen. Kurze Nachfrage bei Mama und wir wurden reingewunken. „No problem!“, wurde uns versichert. Wir nahmen also Platz, während die Küche noch mal exklusiv für uns geöffnet wurde. Wir haben großzügig bestellt und ich habe auch ein großzügiges Trinkgeld gegeben, am Ende waren alle Beteiligten mit der Situation zufrieden. Wir haben uns ganz nett verabschiedet und sind zum Busbahnhof marschiert.
Bus fahren ohne Logik
Ich muss hier kurz gestehen: Wir waren am Vortag schon mal hier und haben die Lage sondiert. Dabei ist uns aufgefallen, dass es keine brauchbaren Langstreckenbusse nach Huancayo gibt, obwohl das eigentlich ein offensichtliches Ziel ist. Die Stadt wird auch im Reiseführer als eine der „Andenhauptstädte“ und wichtiges „wirtschaftliches Zentrum der Region“ angepriesen, als Stadt für „Foodies“ und so weiter und so fort. Die Busse fahren aber nur nach Lima -und zwar auch alle zur gleichen Zeit, nämlich abends zwischen 21:30 Uhr und 22:30 Uhr. Wieso ale 6 oder 7 Busse von dort die gleiche Strecke zur gleichen Zeit fahren, habe ich damals nicht verstanden und kann es bis heute nicht verstehen. Wir haben Theorien entwickelt, dass Straßen eventuell tagsüber nicht benutzt werden dürfen (um den lokalen Verkehr nicht zu stören), aber das sind alles Mutmaßungen. Sinn macht es aus Kundensicht jedenfalls keinen.
Also, wie schon gesagt, einen Bus nach Huancayo gibt es nicht. Die dritte Rückkehr nach Lima war überhaupt keine Option, zumal die Fahrt ja auch lange gedauert hat. Was uns nun also blieb, ist ein Collectivo nach La Merced, in dem es mehr Optionen geben soll, sagte man uns. Wir fragten nach La Merced, wurden auf den Hof gewunken, in das nächstbeste Fahrzeug bugsiert, haben unser Ticket bezahlt und gewartet, bis der Bus voll ist. Glücklicherweise hat das nicht mehr so lange gedauert und wir fuhren nach rund zwanzig Minuten los.
Der Minibus war natürlich überladen und hatte seine beste Zeit vor 10-15 Jahren gesehen. Unsere Taschen lagen zwischen uns und dem Fahrersitz, halb auf unserem Schoß. Beinfreiheit gab es keine und neben mir saß auch jemand. Die Sitze sind gerade so breit genug für ein sechsjähriges Kind, es war sehr kuschlig.
La Merced
In La Merced verlief das Spiel ähnlich wie am Busbahnhof in Oxapampa. Es gab ab hier die Möglichkeit mit einem anderen Collectivo nach Huancayo zu fahren. Die Busgesellschaften verkaufen hier nacheinander (!) die Tickets für ihre Busse. Ist einer voll, fährt er los und die nächste Firma darf Tickets verkaufen und ihren Bus auffüllen. Die Reihenfolge, in der die Firmen sich abarbeiten, wird durch die Parkreihenfolge des zurückkehrenden Busses bestimmt.
Wir haben die letzten zwei (nicht so guten) Plätze in einem Bus verpasst, weil ich zu lange gezögert habe. Zwei getrennte Plätze in der letzten Reihe sind bei den peruanischen Straßenverhältnissen aber auch kein echter Spaß, ich war nicht wirklich traurig darüber. Also waren wir die ersten für den nächsten Bus und mussten rund eine Stunde warten, bis wir halbwegs voll waren. Die Ungeduld der Busfahrer hatte am Ende gesiegt, denn solange der Bus rumsteht, verdient er überhaupt kein Geld.
Rennfahrer
Während der Fahrt ist es üblich, Leute am Straßenrand aufzugabeln, wenn sie den Bus heranwinken. Um mehr Fahrgäste einladen zu können, macht es natürlich Sinn, wenn man der erste Bus ist, der an den Leuten vorbeifährt. Unser Busfahrer, höchstens Mitte 20, und sein Beifahrer hatten es dementsprechend eilig. Und mit eilig meine ich hier wirklich eilig, inklusiver filmreifer (gefährlicher) Überholmanöver. Den krassen Teil konnten wir nicht aufnehmen, weil der Beifahrer/Assistent die ganze Zeit um Fahrgäste gebuhlt hat (er schrie permanent „HUANCAYO! HUANCAYO! HUANCAYO!“ aus dem Fenster) und ich ihm ungern das Smartphone ins Gesicht halten wollte. Wir haben eine spätere Aufnahme, die seine Ungeduld vielleicht etwas wiedergibt.
Abwechslungsreiche Fahrt
Die Fahrt führte uns aus dem noch subtropischen La Merced wieder hinauf in die Anden. Der Fahrer und sein Kumpel hielten zwischendurch für eine Pinkelpause und deckten sich mit Red Bull ein (von dem Geld, welches mit den zusätzlichen Fahrgästen „an der Busgesellschaft vorbei“ verdient wurde). Red Bull ist sicherlich eine sinnvolle Ergänzung zu den Unmengen an Coca, welches von den beiden gekaut wurde. In jedem Falle erklärte es all die hektischen und nervösen Bewegungen. It’s more fun in the Philippines Peru.
Massiv enttäuscht war ich, als der Fahrer seine Getränkedose und die Verpackung seines Schokoriegels einfach und achtlos aus dem Fenster geworfen haben. Das war mal wieder der Beweis dafür, dass man Umweltbewusstsein nicht einfach voraussetzen kann und es viel Aufklärungsarbeit braucht -egal in welchem Land.
Wir knackten unterwegs wieder die 4000m, meine Ohren knackten auch, meine Atmung ging ein bisschen schneller. Nach Einbruch der Dunkelheit erreichten wir Huancayo (3259m ü. NN.). Unser Hotel lag nur gruselige 10 Minuten Fußweg vom Busbahnhof entfernt. Wir sind natürlich gelaufen.
Ich bin von mir selbst enttäuscht
Das Bett war in Ordnung, das Zimmer ansonsten mäßig sauber. Wir sind nach dem Check-In um drei Ecken zu einer Pizzeria gelaufen und haben eine sehr günstige, sehr große und sehr fettige Pizza gegessen.
Am nächsten Morgen ging es Miriam schlecht, Soroche hat wieder zugeschlagen. Mir ging es diesmal nicht so mies wie in Huaraz, ich kam ganz gut klar, Miriam aber nicht. Die Fettpizza vom Vorabend hat allerdings nicht geholfen, fettige Nahrung ist Futter für die Höhenkrankheit.
Wir haben uns in die angrenzende Mall geschleppt, auf der Suche nach Frühstück. Überraschung: Es gab nichts. Fast. Die einzige Möglichkeit für Frühstück war ein Starbucks. Ich bin seit vielen Jahren sehr stolz darauf, noch nie Geld bei Starbucks ausgegeben zu haben. Ich hasse Starbucks. Ich verabscheue Starbucks. Wirklich. Sehr. Ich habe auf allen Reisen bisher lieber tagelang auf Kaffee verzichtet, statt mir irgendwas bei Starbucks zu kaufen. Ich hasse Starbucks.
Leider kann ich darauf , einen Caramel Latte und vier Muffins später, nicht mehr stolz sein. Das war schlimm für mich, aber der Hunger hatte gesiegt. Danach ging es zurück ins Hotel. Miriam war echt am Ende und ich war auch schlapp.
Mein kleiner Breakdown
Ich habe aus dem Fenster geschaut und ich habe folgendes gesehen:
Das war ein bisschen zu hässlich und, nach Huaraz, zu viel für mich. Ich habe eine richtige Hasstirade über Peru abgelassen und unser Reiseziel komplett in Frage gestellt. Ich habe an den Leuten gezwifelt, die Peru als schönes Reiseland empfehlen. Ich fand einfach alles scheiße. Abgeladen habe ich das bei Miriam (und bei TamTam, Danke nochmal).
Unnützer Aufenthalt
Huancayo war im Lonely Planet als sehr interessantes Fleckchen Erde dargestellt. „Foodie-Town“, wurde es genannt. Nun, auch hier bin ich fest davon überzeugt, dass der zuständige Redakteur die gesamte Zeit über auf Kokain gewesen sein muss.
Huancayo ist ein versifftes Drecksloch und so uninteressant, es gibt hier N I C H T S zu sehen. Absolut gar nichts. Die Restaurants haben auch fast alle schlechte Ratings. Die Straßen sind hässlich und unaufgeräumt. Es ist Chaos und Schmutz überall. Nicht mal der Plaza de Armas sieht irgendwie einladend aus.
Die umliegenden Restaurants waren tatsächlich so schlecht, dass ich mich über meine Papa John’s Pizza in der Mall gefreut habe. Miriam hatte Pommes von Popeyes. Das sagt schon alles aus.
Es gab auch keine Touren im Umland, die man hätte machen können. Es gab wirklich nichts. Und wer das jetzt liest und sich denkt: Ach, der Oliver, der findet ja alles scheiße, dem kann man ja nichts recht machen“, der hat zu diesem Zeitpunkt auch absolut recht. Bis zu diesem Punkt war alles maximal okay, ich hatte noch kein außergewöhnliches „Wow!“-Erlebnis oder etwas Vergleichbares. Ganz im Gegenteil, ich habe mich jeden Tag gefragt wieso ich jetzt nicht in Vietnam sitze und das Leben genieße.
Es sei aber auch gesagt: Das war der Tiefpunkt der Reise und ab hier ging es stetig bergauf.
Durch den Mangel an Angeboten und Miriams Zustand blieben wir fast nur im Hotelzimmer, unterbrochen von einem Einkauf, Essen oder einem Spaziergang.
Lima? Lima!
Es war unser Plan, von Huancayo in den Anden zu bleiben und nach Ayacucho weiterzufahren -das wäre ungefähr die halbe Strecke bis nach Cusco gewesen. Selbstverständlich fährt KEIN Bus nach Ayacucho. Es ist eigentlich naheliegend, da es die nächstgrößere Stadt ist. Die Straße dorthin scheint aber zu gefährlich oder anderweitig für Busse blockiert zu sein (ich weiß es nicht). Auf jeden Fall blieb uns nichts weiteres übrig, als von Huancayo nach Lima zu fahren, was wir ja total vermeiden wollten und weshalb wir überhaupt erst nach Huancayo gefahren sind. Die Tage waren also vollkommen verschenkt und umsonst.
Wir buchte uns also einen unvermeidbaren Nachtbus nach Lima. Die Ankunftszeit war gegen 6:00 Uhr morgens, wir haben uns den Anschlussbus nach Paracas für 11:00 Uhr gebucht. Da beide Fahrten mit Cruz del Sur waren, konnten wir unser Gepäck nach der Ankunft im Terminal direkt wieder einchecken. Wir mussten erneut bei Starbucks frühstücken, da es in Reichweite des Terminals nichts anderes gab. Ein richtiger Dämpfer.
Auf dem Weg zurück zum Terminal habe ich dann noch ein besonderes Highlight im peruanischen Straßenverkehr entdeckt:
Nein, das ist kein Wrack. Der Fahrer ist kurz darauf eingestiegen und weggefahren.
Wir sind auch weitergefahren, nämlich nach Paracas. Was das ist und was es dort zu sehen gibt: Beim nächsten Mal!