Am nächsten Morgen ging es mir besser, auch wenn „gut“ oder „normal“ noch eine Übertreibung gewesen wären. Auf jeden Fall hatten wir keine Lust mehr in diesem hässlichen Zimmer rumzuliegen und dem Sportunterricht der angrenzen Schule zu lauschen, wir wollten raus. Rund um Huaraz gibt es viele kleine Bergseen, die man mehr oder weniger aufwändig bewandern kann. Aufgrund meines Zustandes vom Vorabend haben wir uns allerdings keine Tour rausgesucht, Akklimatisation stand auf der Tagesordnung.
Wir haben uns verschiedene Blogs zum Thema durchgelesen und alle kamen zum gleichen Schluss: Der naheliegende Lake Wilcacocha ist ein gutes Ziel für die Akklimatisation, die Wanderung ist leicht bis moderat und es bedarf keiner geführten Tour, da sich der Einstiegspunkt bequem mit einem Collectivo, einem öffentlichen Minivan, erreichen lässt. Zur Stärkung haben wir noch ein zweites Frühstück in einem Café eingenommen, bevor wir uns an der Markthalle auf die Suche nach dem richtigen Collectivo gemacht haben.
Öffentliche Verkehrsmittel
Ich muss an dieser Stelle kurz einschieben, dass wir eigentlich ziemlich bewandert im Umgang mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind, auch außerhalb unserer Komfortzone. Wir nehmen auch in den USA mal einen Bus oder Zug und wir sind auf den Philippinen so gut wie nie mit einem Taxi gefahren, sondern haben uns fast immer in Jeepneys oder Busse gequetscht. Aus irgendeinem Grund war uns das aber hier irgendwie nicht Geheuer und wir haben uns am Anfang echt angestellt. Vielleicht lag es auch daran, dass wir „aus der Übung“ waren, vielleicht auch an den ganzen Geschichten die man überall liest, ich kann es nicht so recht sagen.
Das Collectivo „E“ bzw. „10“ war schnell gefunden, wir sind reingehüpft und losgefahren.
Der Platz auf der Rückbank war natürlich Premium, um das ganze Treiben im Bus zu beobachten. Der Minivan fährt eine feste Strecke und hält auf Zuruf an und sammelt winkende Passagiere ein, sofern noch irgendwie Platz ist. Man hat uns schon beim Einsteigen angesehen, wo wir Aussteigen wollen, so mussten wir das „Puente Santa Cruz?“ nur noch mit einem kurzen „Si“ quittieren.
Es geht….hoch hinaus.
Nach einer Fahrtzeit von etwa einer halben Stunde (Verzögerung durch eine Baustelle) stiegen wir aus dem Minivan aus und standen vor einer Schotterstraße, die sich den Berg hinaufschlängelte. In einem Blogbeitrag habe ich gelesen, dass jemand die Einstiege für den Wanderweg alle verpasst hat und die Straße gelaufen ist. Die führt zwar auch zum Ziel, ist aber nicht so spannend und zieht sich in die Länge. Nach ca. 100m stand ein Schild am Rand, beschriftet mit „Laguna Wilcacocha“ und einem Pfeil, der zu einem schmalen Fußweg zeigte. Es ist mir ein Rätsel, wie man das übersehen konnte. Wir bogen auf den kleinen aber sehr steilen Pfad ab und marschierten, erstmal motiviert, bergauf.
Die Motivation verringerte sich merklich mit jedem weiteren Höhenmeter. Ich gehe ja sehr gerne wandern und habe auch kein Problem damit, viele Meter zu machen. Steigungen waren natürlich noch nie so wirklich mein Freund, ich bin da lieber der Flachlandwanderer, aber das hier hat jetzt natürlich noch ein ganz anderes Geschmäckle. Mir wurde relativ schnell klar, dass ich nicht zu 100% fit bin was die Höhenkrankheit angeht. Mir wurde außerdem klar, dass die drei Wochen in den USA jetzt auch nicht unbedingt hilfreich waren, was meinen körperlichen Fitnesszustand angeht.
Immer weiter, weiter, weiter….
Auf dem Weg nach oben kamen wir durch ein kleines Dorf, in dem die Bewohner ihren alltäglichen, meist landwirtschaftlichen, Tätigkeiten nachgingen. Das klingt erstmal ganz romantisch, wurde aber auch hier getrübt durch jede Menge Plastikplanen, Plastikflaschen, Schuhsohlen und allerlei Unrat, der zwischendurch am Wegesrand lag. Das fand ich irgendwie schade und ganz und gar unromantisch.
Ich habe mich, so ab der Hälfte des Weges, öfter mal umgedreht und durchgeschnauft und dabei die Aussicht genossen. Je weiter wir aufgestiegen sind, je häufiger wurden die Pausen. Ich war noch in einem Bereich in dem ich nach den kurzen Phasen, in denen ich glaubte zu ersticken, auch wieder weiterlaufen konnte. Wie gesagt, die Beine und alles funktionieren super und machen keine Sorgen, die Lunge und meine Sauerstoffsättigung waren aber erheblich beeinträchtigt.
Während des Aufstiegs habe ich mir immer wieder gedacht, was das für krasse Menschen sein müssen, die das als „einfach“ kategorisieren. Miriam hatte wesentlich weniger Probleme als ich, musste gegen Ende aber auch mit sich kämpfen.
Das letzte Drittel war für mich dann wirklich die Hölle. Ich kam nur noch schleppend voran, musste eigentlich alle fünf bis zehn Meter kurz stehenbleiben und wollte nichts lieber, als ich mich einfach auf den Boden setzen und nicht mehr weitergehen. Das war ein harter Kampf mit mir selbst und ich habe mich dazu gezwungen, weiterzugehen.
Jede „Spitze“, die ich von unten gesehen habe, verbarg eine weitere „Spitze“, sobald ich sie erreicht hatte. Es zog sich wie Kaugummi und wollte nicht enden. Ab und zu kam jetzt auch noch Schwindel dazu, sicherlich bedingt durch die Erschöpfung. „Nur noch ein kleines Stück“, sagte ich mir.
Endlich oben!
Als wir oben angekommen sind, haben wir uns total erschöpft auf eine Bank gesetzt und erst mal ein paar mitgebrachte Kekse gegessen und jede Menge getrunken. Hier oben bläst der Wind so stark, ich musste mein nasses T-Shirt ausziehen und mich in meinen Pullover und meine Regenjacke einpacken. Wir sind noch ein bisschen dort oben rumgelatscht, haben die Aussicht genossen und ein paar Bilder gemacht.
Wie schon in unzähligen Blogs von anderen Menschen beschrieben, Laguna Wilcacocha ist eigentlich nicht der Rede wert und nur eine kleine Tümpelpfütze, nichts im Vergleich zu den türkisblauen Seen wie zum Beispiel Laguna 69. Das Ziel war eine Wanderung zur Akklimatisierung, das Ziel haben wir auch erreicht. Gleichzeitig hat uns das auch wieder ein bisschen geerdet. Wenn uns das schon an die Grenzen bringt, können wir die schöneren Destinationen vermutlich vergessen.
Und wieder runter
Nach ungefähr einer halben Stunde haben wir uns wieder auf den Rückweg gemacht. Der Wind war sehr kalt und ungemütlich, außerdem sind nun von mehreren Seiten unangenehme Regen- bzw. Gewitterwolken aufgezogen. Bis zur kleinen Siedlung war der Weg identisch, danach wollte ich die geschotterte Straße laufen. Die macht zwar einen Bogen und ist demnach ein bisschen länger, dadurch aber auch nicht so steil und bergab wesentlich angenehmer zu gehen. Kurz vor dem Erreichen unseres Startpunktes hat es dann auch angefangen leicht zu tröpfeln. Wir haben uns an der Straße in ein wartendes Collectivo gesetzt und sind zurück nach Huaraz gefahren.
Die besten Crepes der Welt (oder so)
Die Wahl fürs Abendessen fiel auf „Creperie Patrick“, was erst mal seltsam klingt. Crepes als magenfüllendes Abendessen? Wir hatten keine Lust/Kraft mehr, noch viel durch den Ort zu laufen, die Creperie lag auf dem Weg und somit die naheliegendste Entscheidung.
Meine Skepsis war vollkommen unbegründet. Man konnte sich alles selbst zusammenstellen und die Crepes waren groß, zum Glück etwas dicker und reichhaltig gefüllt. Ich hatte einen herzhaften Crepe mit Tomaten und Zwiebeln und Basilikum und einen süßen Crepe mit (bestimmt zwei) Bananen und Honig. Ich war danach auf jeden Fall gesättigt und zufrieden, es hat fantastisch geschmeckt. Die Rechnung für vier Crepes und 3 Getränke lag bei ca. 70 Soles, also unter 20 EUR.
Und dann?
Wir sind nach dem Essen zurück ins Hostel und haben dort zwei Touren für die nächsten beiden Tage gebucht. Um nicht gleich wieder zu körperlichen Höchstleistungen getrieben zu werden, haben wir einen Tag mit Geschichte und Kultur eingeschoben, mehr dazu gibt es dann bald.