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Glaciar Pastoruri

Nach dem sehr erholsamen (aber langweiligen) Vortag stand wieder etwas mehr körperliche Anstrengung im Mittelpunkt. Wir hatten ja lange überlegt, welche Tour wir noch machen wollen und kamen nach einiger Überlegung auf den Besuch des Pastoruri Gletscher, dessen Gipfel auf 5250 Meter liegt.

Ich war natürlich etwas skeptisch wegen der Höhe, auch der relativ kurze Fußweg vom Besucherzentrum/Parkplatz konnte mich nicht so richtig beruhigen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, ob ich das schaffe oder nicht. Ich habe viele Blogs und Beiträge dazu gelesen und die Meinungen reichten von „Ja, leichter Spaziergang“ bis zu „Voll krass für die Lunge!“.

Und täglich grüßt…

…das Toastbrot. Wir waren diesmal schlau genug, schon am Vortag einzukaufen. Mein Kaffee ist an diesem Morgen leider ausgefallen, zu dieser frühen Stunde haten sämtliche ernstzunehmenden Optionen noch geschlossen. Ziemlich komisch für einen Ort, in dem so viele Touren so früh starten. Egal.
Wir haben uns das Frühstück zugeführt und uns diesmal den Toast schon am Frühstückstisch beschmiert, belegt und in unsere mitgebrachte Brotbox verstaut. Das alles natürlich im Eiltempo, damit wir auch pünktlich fertig sind wenn wir abgeholt werden.
Selbstverständlich saßen wir danach noch 30 Minuten im Garten des Hostels und haben auf unsere Abholung gewartet.

Eine Busfahrt, die ist lustig, eine Busfahrt, die ist…lang.

Teil unserer Gruppe waren wohl Austauschstudenten oder sowas in der Art, auf jeden Fall waren die auf einem mehrtägigen Trip von Lima hierher. Wir konnten durch die Gespräche eine Französin, eine Schwedin, eine Albanerin, eine Brasilianerin und einen Schweizer identifizieren. Die ersten dreißig Minuten waren super anstrengend, weil die mitteilungsbedürftige und aufmerksamkeitshungrige Albanerin eine Story vom Vortag (?) erzählt hat, als ein geführter Reitausflug ein bisschen aus dem Ruder lief. Natürlich war ihr Pferd das Schlimmste und Wildeste und sie erzählte hundertmal, wie sie ja fast gestorben wäre. Achja, ihr Pferd war übrigens schlimm und wild. Gestorben wäre sie auch fast. Wegen ihrem schlimmen und wilden Pferd.

Genau.

Aus den Äußerungen der anderen konnte man raushören, dass natürlich alles halb so wild war. Anstrengend war es deshalb, weil sie so unfassbar laut und vulgär geredet hat. Ich störe mich ja nicht an Leuten die Fluchen und Schimpfen, das kann ja ganz unterhaltsam sein, wenn dann aber alles und jeder mit einem „fucking“ Attribut versehen wird, ist das nur noch ermüdend.

Coca, Coca, Coca

Nach einiger Zeit, ich habe keine Ahnung mehr, wie lange wir gefahren sind, hieltne wir an einem Touristenrestaurant. Ziel war zum einen die Vorbestellung eines Mittagessens für den Rückweg (wir verzichteten) und der Einkauf von Coca Blättern und Bonbons von Verkaufsfrauen vor dem Laden als auch die Möglichkeit, einen Coca-Tee im Restaurant einzunehmen. Wir entschieden uns für eine kleine Tüte mit Blättern für e1 Sol und tranken Tee für jeweils 2 Sol.

Aber ist das nicht…Kokain?

Ja und nein. Die Coca-Pflanze ist natürlich die gleiche Pflanze, die einen ganzen Kontinent seit Jahrzehnten in den Untergang führt. Die Blätter sind aber, unbehandelt, erstmal vollkommen harmlos. Die Völker der Anden benutzen sie seit Jahrhunderten und sie gilt als „heilig“. Es ist hier etwas ganz normales, die Blätter zu kauen oder den Tee zum Frühstück zu trinken, ähnlich wie der Morgenkaffee in Europa. Die Wirkstoffkonzentration in den rohen Blättern ist so gering, dass man theoretisch kiloweise Blätter essen müsste, um sich in einen ähnlichen Rauschzustand zu versetzen.

Man sagt dem Coca-Blatt nach, gegen die Höhenkrankheit (Siroche) zu helfen, die Symptome zu lindern, die Sauerstoffzufuhr zu verbessern und, ähnlich wie bei Koffein, für einen gefühlten Energieschub zu sorgen. Nach allem was ich gelesen habe, lassen sich diese Wirkungen nur wenig bis gar nicht wissenschaftlich belegen. Da in Deutschland so viele Leute irgendwelche Zuckerpillen nehmen und daran glauben, scheint der Grundsatz des „Ich glaube daran“ auch hier eine wesentliche Rolle zu spielen.

Da ich keinen Kaffee hatte, kam mir der Tee ganz gelegen. Man kann sich an den Geschmack schnell gewöhnen, v.a. gesüßt find ich es gar nicht mal so schlecht. Es gibt auch Bonbons, die ich wiederum sehr lecker finde. Das unbehandelte, getrocknete Blatt wiederum ist da schon etwas speziell. Man soll eine Menge zwischen „drei bis vier Blättern“ oder „eine Hand voll“ in den Mund nehmen, zu einer Paste zerkauen (ca. 10-15 Minuten) und dann in der Wange parken (für 15 Minuten bis zu 3 Stunden). Wie man an den Aussagen merkt, die Quellen variieren hier von Peruaner zu Peruaner erheblich. Ein kulinarisches Erlebnis ist es in jedem Falle nicht, ich habe niemanden getroffen der mir glaubhaft versichern konnte, es würde ihm gut schmecken.

Weiter gehts

Die Fahrt ging weiter über schier endlose Straßen. Irgendwann passierten wir einen Checkpoint für das Naturschutzgebiet. Hier veränderte sich nicht nur die Landschaft, sondern auch die Straße. Ab hier nur noch grobe Schotterstraße.

Diese Weite und Leere ließ mich wieder erahnen, wie groß Peru eigentlich ist. Wir fuhren für ca. eine halbe Stunde auf der Schotterstraße, dann gab es einen kurzen Halt an einer natürlichen, heißen Quelle. Dort standen ein paar Frauen mit ihren Lamas, die sie mit Hut, Sonnenbrille und anderen Accessoires für Touristenfotos zur Verfügung stellten. Wir finden das blöd, weil Lamas und Alpakas keine Hüte und Sonnenbrillen tragen und haben das dementsprechend nicht gemacht. Ich muss trotzdem zugeben, dass es ziemlich lustig ausgesehen hat.

Die Königin der Anden

Nach einer weiteren halben Stunde hielten wir erneut. Diesmal für etwas Besonderes: Die Königin der Anden. „Sie“ heißt eigentlich Puya raimondii und ist eine Pflanze, die nur in Höhenlagen von 3500-4500 Metern wächst. Der Blütenstand erreicht eine Höhe bis zu 12 Metern und eine einzelne Pflanze kann bis zu 100 Jahre alt werden. Die Hänge stehen voll mit braunen Exemplaren, die ihre Blüte schon hinter sich hatten. Und genau da hatten wir Glück: Nach einem kurzen Bergaufmarsch (anstrengend, weil wir schon auf 4000 Metern Höhe waren) standen wir vor einem Exemplar, welches gerade am Anfang seiner Blütezeit stand. Diese dauert bis zu 9 Monate und findet für jedes Exemplar einmalig statt.

Ich schätze das Exemplar auf ca. 5-6 Meter Höhe, was schon sehr beeindruckend ausgesehen hat. Die meisten Infos gab es auf Spanisch, weshalb ich leider nicht mehr dazu sagen kann.

Hinauf, hinauf

Für eine weitere Stunde war die Schotterstraße unser Zuhause. Wir stiegen mit dem Minibus langsam aber stetig weiter auf und kamen der entsprechenden Bergkette immer näher. Das sah schon alles sehr beeindruckend aus. Die Leere wurde manchmal durch Tierherden und vereinzelte Strohhütten unterbrochen, wirkliche Siedlungen gab es hier aber nicht.

Das Gerüttel hatte ein Ende, als wir auf ca. 4800 Metern Höhe das Besucherzentrum (ein paar Shops und ein Toilettenhäuschen) erreichten. Wir stiegen aus dem Bus und hatten ab hier zwei Stunden Zeit für Aufstieg, Aufenthalt und Rückweg zum Parkplatz.

Der Weg hinauf war weniger steil als erwartet. Es galt die Differenz vom Parkplatz (4800 Meter) bis zum Fuße des Gletschers zu überwinden (knapp über 5000 Meter). Zweihundert Höhenmeter klingen nach verhältnismäßig wenig und es wäre ohne die Höhe nur halb so anspruchsvoll wie ein Spaziergang auf den Lohrberg. Das öffentlich-rechtliche Wissenschaftsmagazin Quarks hat zur Höhe übrigens einen sehr interessanten Artikel, den ihr hier finden könnt.

Wir haben uns eine Ladung Coca-Blätter in den Mund gestopft, uns wärmer angezogen (es war schon ordentlich kalt) und sind losmarschiert. Miriam hatte auch hier die bessere Luft und ist dementsprechend vorgelaufen. Ich war etwas langsamer unterwegs, bin aber stetig und in einem viel besseren Zustand als noch zwei Tage zuvor oben angekommen. Ich habe eine kleine Pause nach ca. einem Drittel des Weges gemacht, um meinen Schal über den Kopf zu ziehen und einen kleinen Schluck zu trinken. Auf dem Weg nach oben habe ich diesmal zu keiner Zeit an mir gezweifelt, so viel Sorgen ich mir auch vorher gemacht habe.

Karg und schön

Oben angekommen habe ich mich zu Miriam auf die Aussichtsplattform gesetzt. Sie war die erste unserer ganzen Busgruppe, ich war nicht viel später oben. Manche waren vor mir da, einige der Studenten waren viel später da, die Schwedin musste sogar abbrechen und umkehren. Ich war schon ein bisschen stolz auf mich, habe mich diesmal nicht wie ein alter Rentner gefühlt und war auch davon überzeugt, dass die Coca-Blätter ihren Teil dazu beigetragen haben.

Zur Stärkung gab es einen kleinen Snack und einen großen Schluck aus der Wasserflasche. Versiegelte Folienverpackungen sehen auf 5000 Metern übrigens so aus:

Danach haben wir uns auf dem gesamten Plateau umgesehen und ein paar Bilder gemacht. Es war, trotz des Windes, sehr angenehm still und friedlich hier oben. Auch die anderen Touristen hat man kaum wahrgenommen.

Das traurige daran ist, dass man den Gletscher wohl nicht mehr so lange wird besuchen können. Das ist schlicht und ergreifend der Tatsache geschuldet, dass er immer weiter abschmilzt. Schon jetzt ist es strenggenommen kein Gletscher mehr, da in den Wintermonaten keine Eismasse mehr aufgebaut wird und das Eis permanent schmilzt. Zum Vergleich ziehe ich hier ein Bild von Wikipedia heran, dass im Jahr 2010 aufgenommen wurde. Als Referenz gibt es zuerst den Bildausschnitt aus meinem Foto:

https://en.wikipedia.org/wiki/File:Pastoruri_Glacier.jpg

Ich finde den Unterschied so erschreckend und kann hier gar nicht wirklich in Worte fassen, wie sich das anfühlt. Um so wütender macht es mich, dass Ignoranten und Klimaleugner so laut, allgegenwärtig und leider oftmals noch mehrheitsfähig sind. Aber naja, dieses Problem muss man an einem anderen Tag lösen…

Und abwärts!

Der Weg zurück war natürlich ein Kinderspiel. Hier sieht man auch noch mal, wie grundsätzlich einfach der Fußweg eigentlich ist:

Im Bus ging es dann zurück, leider ohne die Zwischenhalte. Über anderthalb Stunden am Stück auf dieser Schotterstraße waren sehr strapaziös und haben auch einfach genervt. Genervt hat auch der obligatorische Stopp am Restaurant auf dem Rückweg, an dem einige Leute aus der Gruppe ein Essen bestellt hatten und dementsprechend auch eingenommen haben. Das waren 45 Minuten „tote“ Wartezeit, es war aber zu verkraften. Wir aßen im Bus unsere Sandwiches, die dann auch keinen Platz mehr für Appetit auf ein Abendessen ließen.

Und wie geht es weiter?

Das sollte unser letzter Abend in Huaraz sein, für den nächsten Tag haben wir einen Bus an die Küste gebucht. Wohin genau, erzähle ich dann beim nächsten mal.

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