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Episode 17 – Pingyao

Meine xianinduzierte Unlust drängte mich eigentlich dazu, von Xian direkt nach Beijing zu fahren und dort die Tage herunterzuzählen. Glücklicherweise wartete Mimi mit einer alternativen Reiseroute auf und benötigte nicht viel Überzeugungsarbeit um mich Grummelkopf zu zwei weiteren Stops zu bewegen.

Das nächste Ziel hieß also Pingyao, liegt beinahe mittig auf der Strecke zwischen Xian und Beijing und besitzt einen Bahnhof für den Schnellzug. Die Reise hierhin verlief also relativ unkompliziert und mit rund zweieinhalb Stunden auch recht schnell. Leider, wie in China sehr oft der Fall, liegt der neue Bahnhof für die Schnellzuganbindung mehrere Kilometer ausserhalb der Stadt. Auch hier wieder auffällig: Der Bahnhof bzw sein gigantischer Vorplatz ist mit einer (unglaublich übertriebenen) vielspurigen Straße mit der Stadt verbunden, eine Straße, die wohl niemals ausgelastet sein wird. Ein Zeichen von Größenwahn und Verschwendung, man könnte meinen, dies seien Chinas neue Tugenden.

Alt(e)stadt

Pingyao ist eine der älteren, von einer Stadtmauer umgebenen Städte und noch dazu in einem sehr guten und originalen Zustand erhalten. Es gibt mehrere solcher Ortschaften, Pingyao ist nicht zuletzt wegen seiner praktischen Lage eine der Bekanntesten.

Durch seine kompakte Größe und trotz seiner eindeutig touristischen Ausrichtung ist das Zentrum von Pingyao sehr sympathisch und einer der Höhepunkte unserer Chinareise. Es erinnert vom Flair her stark an Hoi An, auch wenn das noch eine ganze Ecke gemütlicher daherkommt.
Für die Innenstadt von Pingyao gibt es eine Eintrittskarte die zum Besuch von allen Museen, Tempeln und wichtigen Gebäuden berechtigt. Hier sei aber auch angemerkt, dass der europäische Begriff von „Museum“ in China nur bedingt gültig ist -oft sind hier auch wenige Exponate oder nur ein paar Schrifttafeln zu Familie XYZ schon vom Museumsbegriff abgedeckt. Das gute daran: Die Eintrittskarte ist, inklusive Erwerbstag, volle 3 Kalendertage gültig und bietet auch für den interessiertesten aller Besucher genügend Zeit für alle Sehenswürdigkeiten. Mit 75 Yuan (~10 EUR) ist der Preis auch fair kalkuliert und es wird einem auch ein entsprechender Gegenwert geboten.

Wenn man nicht so auf Tempel steht, so wie ich, kommt man irgendwann an einen Punkt, wo man sich nur noch sehr schwer für irgendwas begeistern kann. Ich bin auch hier wieder an diesen Punkt gekommen (wie auch schon vorher), konnte den verwinkelten Tempelanlagen aber dennoch etwas abgewinnen. Für Freunde der chinesischen Kultur, des buddhistischen Glaubens und China allgemein ist Pingyao aber sicherlich eine großartige Anlaufstelle.

Monokost

Ich würde jetzt gerne etwas Anderes behaupten, aber die kulinarische Auswahl in Pingyao fiel für uns etwas gering aus. In China gestaltete sich das ja bisher immer recht schwer, aber in Pingyao hatten wir gar keine dedizierte Anlaufstelle. Glücklicherweise gab es aber mehrere Restaurants mit englischsprachigen Menükarten, eines sogar mit Personal, welches ein paar Brocken Englisch sprechen konnte. Ebendieses konnte uns auch beim ersten Mal überzeugen, weshalb wir hier auch in den folgenden Tagen aufgelaufen sind.

Mein neues chinesisches Lieblingsgericht sind die „Pingyao Mountain Noodles“ aus Buchweizen, die man wahlweise mit Tomatensoße oder, das ist die klassischere Variante, in einen Chili-Öl-Dip tunkt. Das ist ein furchtbar simples Gericht (und auch sehr günstig), traf aber genau meinen Geschmack.

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Aus Mangel von Material im eigenen Fundus: Gefunden auf www.workhardtravelharder.com

Auch die anderen (vegetarischen) Gerichte haben uns größtenteils gut geschmeckt, generell schien der Laden auch sehr beliebt zu sein. Der vierte Besuch war uns dann schon langsam peinlich, es gab aber leider wirklich keine Alternativen.

Innen hui, außen pfui

So schön die Innenstadt von Pingyao auch ist (und im Idealfall muss man mehr davon auch nicht sehen), so hässlich ist der Rest drumherum. Und mit hässlich meine ich wirklich hässlich. Erschwerend kommt hinzu, dass Pingyao in einer sehr sandigen, staubigen Gegend liegt und die Straßen, Häuser, Gehwege mit einer leichten Schicht überzogen sind und so immer etwas schmutzig wirken.
Diese „Schmutzigkeit“ sieht man auch gut in den wenig bis gar nicht touristische erschlossenen Seitenstraßen innerhalb der Mauer. Wir haben keine Ahnung, inwiefern und nach welchen Gesichtspunkten die Menschen, die dort wohnen, eine Förderung von der Regierung erhalten oder wie genau die Eintrittsgelder verteilt werden, es wird aber deutlich, dass nicht jeder etwas vom großen Tourismuskuchen abbekommt. Teilweise baufällig anmutende Häuser und Innenhöfe, welche auf ärmliche Verhältnisse schließen lassen, nur wenige Meter Luftlinie vom Klingen der Kassen in der Parallelstraße entfernt.

Da wir für unseren gewünschten Abreisetag leider keine Zugtickets mehr bekommen haben, mussten wir noch einen Tag länger in Pingyao bleiben. Ich hätte mir schlimmere Orte dafür vorstellen können und war deshalb nicht wirklich enttäuscht -auch wenn ich das chinesische Ticketsystem mal wieder in Frage gestellt habe.

Unsere nächste Station heisst Datong, einige Zugstunden nördlich von Pingyao. Leider ohne Schnellzuganbindung und deshalb auch nur mit einer Bimmelbahn zu erreichen. Bevor ich euch jetzt, nach diesem langweiligen Beitrag, wieder entlasse, muss ich aber noch eine technische Neuerung ankündigen: Ich habe jetzt, wo ich mit dem Trip in der Realität fast fertig bin, ein tolles Webtool gefunden, um meine Strecke besser visualisieren zu können. Ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich das genau hier einbinden kann (das mache ich vielleicht bis zum nächsten Beitrag), aber ich kann euch jetzt einen detaillierteren Screenshot präsentieren (Danke an Tristan).

mapneu

Bis zum nächsten Mal!

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