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Episode 18 – Datong

Die Weiterreise nach Datong geschah via Bimmelbahn, denn Datong verfügt leider nicht über einen Anschluss an das Schnellzugnetz. Ich kann jetzt nicht behaupten, dass ich mich auf diese Fahrt gefreut habe -war aber beruhigt, dass sie tagsüber stattfindet. Keine grauenvollen Nachtfahrten mehr…

Das Ding mit dem Respekt vor Anderen

Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das an einer anderen Stelle schon einmal angesprochen habe, aber ein rücksichtsvolles miteinander spielt hier keine große Rolle. Die Gefühlen von anderen, mir fremden, Menschen? Nein, spielt keine Rolle. So ist es denn auch nicht verwunderlich, wenn mir gegenüber zwei junge Herren sitzen, die zusammen einen Actionfilm schauen. Auf dem Smartphone. Sehr laut. In anderen Situationen (=auf anderen Zugfahrten) war das bisher ähnlich, laute Musik oder Filme, ganz egal. Man nervt andere Leute eben einfach und interessiert sich einen feuchten Kehricht dafür.
Ich habe keine Ahnung, wieso das so ist. Ich habe keine Ahnung, wie in Billigtechnologieland Nr.1, in dem jeder ein Smartphone und sonstwas für Gadgets mit sich herumträgt, Kopfhörer völlig unbekannt sein können. Es ist mir bis heute ein Rätsel.

Immer dieses Essen…

Datong also. Wir kamen am Abend an, hatten diesmal, in weiser Voraussicht, direkt nebem dem Bahnhof ein Hotelzimmer gebucht. Das erwies sich, wie geplant, als großartiger Standortvorteil -fast. Wir ersparten uns zwar das Rennen durch die Gegend, leider gab es in Bahnhofsnähe auch nicht wirklich etwas Essbares für uns. Abendessen fiel also aus. Mal wieder.

Am nächsten Tag ging es früh aus dem Bett, ab in den Kiosk für ein ungesundes Törtchen-unterwegs-Frühstück (hmpf…) und dann zum Bus, der uns zu unserem eigentlichen Ziel bringen sollte:

Die Yungang-Grotten

Ich war, trotz all der negativen Seiten, von Leshan schon ein bisschen beeindruckt gewesen. Aber was ich hier zu sehen bekam, schlug Leshan um Längen. Seltsamerweise findet es im Lonely Planet nur wenig Beachtung und ist auch sonst eher auf B-Listen der Touristenziele zu finden. Völlig unbegründet! Die Yungang-Grotten rangieren bei mir vor allen bisherigen klassischen Sehenswürdigkeiten in China, mit Abstand, und sind einen Besuch tausendmal mehr wert, als die langweiligen Tonmännchen. Für alle, die nicht den gesamten Wiki-Artikel lesen wollen, hier der essentielle Einleitungstext:

Yungang-Grotten – Wikipedia

Die Yúngāng-Grotten (chinesisch 雲岡石窟 / 云冈石窟, Pinyin yúngāng shíkū ‚Wolkengrat Felsenhöhlen‘), früher Wuzhoushan Grotten, sind frühe buddhistische Höhlentempel in der chinesischen Provinz Shanxi. Die Grotten liegen in der Großgemeinde Yungang (云冈镇) des Stadtbezirks Nanjiao der Stadt Datong, ca. 16 km westlich des Stadtzentrums im Tal des Shi Li Flusses am Fuß des Wuzhou Shan. Sie wurden hauptsächlich im Zeitraum 460-525 n. Chr. während der Nördlichen Wei-Dynastie aus dem Sandstein herausgearbeitet und sind ein herausragendes Beispiel chinesischer Steinmetzkunst aus der Frühzeit des Buddhismus in China. Insgesamt besteht die Gesamtanlage aus 252 Grotten und Nischen. Die Anlage ist seit dem Jahr 2001 in der Liste des Weltkulturerbes eingetragen.

So, genug gelangweilt. Es gibt jetzt ein paar Bilder, wie immer unkommentiert und durcheinandergewürfelt, damit ihr euch selbst einen Eindruck verschaffen könnt.

Bis hierhin, zugegeben, fehlt noch das gewisse Etwas. Aber das kommt. Spätestens in der ersten großen Grotte, wenn man plötzlich hiermit konfrontiert wird (was mit der vorherrschenden Beleuchtung eine ganz besondere Stimmung erzeugt hat.

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Auf dem Bild kommt das nicht so gut rüber, aber das Knie dieser Buddhafigur entspricht ungefähr meiner Augenhöhe -sie ist also groß.
Im weiteren Verlauf finden sich weitere Grotten mit mal bunteren und mal weniger bunten Verzierungen, manche sehr gut erhalten, manche weniger gut. Das absolute Highlight kann ich leider nicht präsentieren, da fotografieren dort verboten war (und diese Maßgabe von den Wachleuten auch konsequent umgesetzt wurde). Es gab aber auch noch andere nette Innenräume, so zum Beispiel diesen hier:

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Ich möchte hier nochmals anmerken, dass alle diese Verzierungen in den Sandstein „geschnitzt“ wurden und an Ort und Stelle entstanden sind, vor ca. 1500 Jahren.

Viele der großen Grotten sind im Laufe der Jahrhunderte kollabiert, was nun den Anschein macht, als würde es draußen stehen oder in eine Felswand gehauen worden sein, stand ursprünglich auch mal in einem Saal. Durch die schiere Größe und ihren Detailreichtum wirken diese Figuren auf mich auch beeindruckend.

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Neben den Buddhas kommt das Gelände noch mit einem (unspektakulären, weil Neubau) Tempel daher und, das war für uns an diesem Tag das Wichtigste, viel Platz und vielen Wegen zum umherschlendern. Nach einigen Stunden hatten wir alles gesehen und haben uns auf den Rückweg gemacht.

Die tote Stadt

Datong hat auch einen Stadtkern der, natürlich, auch von einer Mauer umgeben ist. Nicht so groß wie in Xian, aber auch nicht so klein wie Pingyao. Das Problem mit der Mauer von Datong: Sie ist nicht echt. Ich bin mir nicht sicher, ob man sie dort rekonstruiert, wo sie mal gestanden hat (weil man sie vor einigen Jahrzehnten weggerissen hat) oder ob man sie einfach dort hinbaut, damit die doofen Besucher was zum anglotzen haben. Fakt ist aber: Innerhalb der Mauer überwiegt der Leerstand.

Das Areal, immerhin rund 10km², bietet ein paar Tempelanlagen, eine enttäuschende Fußgängerzone und ein großes Gebiet, welches offenkundig für Restaurants, Gästehäuser und Geschäfte gestaltet und errichtet wurde -alles leer. Der Irrsinn: Ein paar Straßen weiter wurde schon wieder an einem neuen Touristenviertel-Komplex gearbeitet, dem anderen nicht unähnlich. So macht man das in China. Bedarfsorientiertes Bauen? Fehlanzeige.
Wir irrten anderthalb Stunden durch die Gegend und waren auf der Suche nach einem Restaurant -wir haben keine handvoll Restaurants gefunden, ansprechend war davon nichts. Auf dem Weg zurück zum Hotel kamen wir dann an einem Dumplingrestaurant vorbei, wo wir Leute fanden, die geduldig genug waren, sich mit uns und der Übersetzungsapp von Google auseinanderzusetzen. So kamen wir dann doch noch zu einem Abendessen, auch wenn das geschmacklich eher in die Kategore „Durchschnitt“ einzzuordnen war. Hauptsache satt.

Essen in Datong, die Zweite

Am nächsten Morgen machte ich mich schnell auf die Socken um Frühstück zu besorgen. Frittierte Teigteile von KFC standen auf dem Plan (aus Mangel an Alternativen, leider), die waren aber schon eine Stunde bevor die Frühstückszeit endet nicht mehr verfügbar. Eigentlich war fast nichts mehr verfügbar, weshalb ich aus Trotz auf dem Absatz kehrt machte und wieder vor die Tür ging. Ich kaufte dann im Shop nebenan einen Kaffee aus der Dose (bäh), abgepackte Törtchen (schon wieder…) und anderen, zuckerhaltigen Ernährungsabfall. Das war kein tolles Frühstück, half aber gegen den ersten Hunger. Zurück im Bett schaute ich mir die Wiederholung des Eintracht-Spiels vom Vorabend an, und freute mich über den 0:2 Sieg gegen Ingolstadt. Anschließend hieß es Sachen packen und fertigmachen, der Zug in die Hauptstadt erwartet uns.

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