In Europa bauen Menschen mit großen religiösen Ambitionen (und dem entsprechenden Kleingeld) riesengroße Kirchen, in Asien mag man gerne riesengroße Buddhas. Da das mit dem Materialeinsatz vor vielen Jahrhunderten noch so eine Sache war, nahm man für besonders ambitionierte Projekte eben das, was sowieso schon da war: Stein. Und um sich um die Gesetze der Statik (kannte man die Griechen hier schon zu dieser Zeit? Ich weiss es nicht) nicht zu viele Gedanken machen zu müssen, stapelte man die Steine nicht aufeinander, nein, man haute sein Kunstwerk in den Stein.
Was bis hierhin ziemlich unspektakulär klingt ist auch eigentlich ziemlich unspektakulär -wenn es da nicht ein entsprechendes Detail gäbe: Es handelt sich hiermit mit beeindruckenden 71m Höhe um die größte Buddha-Statue der Welt.
Erbaut (oder gemeißelt) wurde der Gute letztendlich im Jahre 803, der Baubeginn reicht aber rund 90 Jahre zurück. Wie auch heute bei BER oder S21 oder der Elbphilharmonie stockte der Bau zwischenzeitlich aufgrund von Geldmangel (Brandschutz war damals noch kein großes Thema), heutzutage sticht sich dafür aber niemand mehr die Augen aus.
Mal wieder mit dem Bus fahren
Und diesmal auch etwas länger. Der große Buddha von Leshan steht nämlich, oh Wunder, in Leshan, das seines Zeichens ca. 140km südlich von Chengdu liegt. Die Reise ging, wie so oft, im abgetakelten Nikotinbus unserem Ziel entgegen. In Leshan endet der Bus am Busterminal, wie es ab dort weitergeht, wissen wir aber erstmal nicht. Schilder gibt es keine, Informationen auch nicht. Wir halten uns dann an zwei chinesischen Mädels, die ebenfalls wie Touristen aussehen. Der Plan ging auf, eine zwanzigminütige Linienbusfahrt später standen wir vor dem Ticketschalter.
Auch hier muss ich wieder die Preispolitik bemängeln. Der Buddha von Leshan kostet 90 RMB Eintritt pro Person, das sind in etwa 12 EUR. Vielleicht bin ich geizig, aber ich empfinde das als teuer.
Ein Tag an der frischen Luft und viel Bewegung. Fast.
Das weitläufige Gelände bietet auch noch andere Tempel und Pagoden, ein Souvenir-und-Essen-Dorf und viele kleine Plätze zum Ausruhen und Verweilen. Sobald man drin ist, kann man die vielen Wege in Hanglage frei erkunden.
Wenn man den Weg an den Fuße des Buddhas gehen will, und deswegen ist man ja eigentlich da, heisst es aber anstellen -ganz nach Freizeitparkmanier. Der aufmerksamlese Leser weiß ja mittlerweile, dass Anstellen dem chinesischen Durchschnittsbürger große Schwierigkeiten bereitet. So auch hier.
Das ist hier ist Krieg. Krieg!
Ich hatte nun schon zwei Wochen Zeit, mich darauf einzustellen, und an genau diesem Tag, in der prallen Sonne, durstig und ungeduldig, hatte ich keine Lust mehr, mich aus Gründen der kulturell bedingten Zurückhaltung zurückzuhalten. Nein! Wir haben uns angestellt und ich habe niemanden mehr vorbeigelassen. Niemanden. Hinter mir war so ein älterer Mann, der an jeder Ecke versucht hat, sich in der Innenkurve vorbeizumogeln. Ich legte meinen Arm mehr als einmal blockend auf das Geländer, benutzte den bösen Blick und, wenn nichts Anderes mehr helfen wollte, drückte ich auch ein wenig zuück. Es funktionierte: Der Mann (und auch sonst niemand) kam an mir vorbei. Etappensieg!
Weiter vorne, wir waren jetzt am Treppenabsatz angekommen, verengte sich der Weg erstmals. Das Gedrängel und Geschubse nahm zu und steigerte sich jetzt auf Aldi-Wühltisch-Level zu Beginn der Sonderangebotswoche. Ich kann allerdings überhaupt nicht in Worte fassen, mit welcher Dreistigkeit und Selbsvterständlichkeit hier abgedrängt und weggedrückt wird. Also wirklich gezielt und ohne Rücksicht auf Verluste. Da interessiert es auch keinen, dass Miriam und ich zusammengehören. Nein. Jeder ist sich selbst der Nächste. Ganz schlimm: Die Masse an Regenschirmen (aka Sonnenschirme) die jeder noch aufgespannt haben muss, um bloß nicht den Sonnenstrahlen ausgesetzt zu sein. Die Dinger landen dann auch regelmäßig im Gesicht -herrlich.
Ich habe am Anfang versucht, noch irgendwie ruhig zu bleiben. Ehrlich, ich habe es versucht. Es ging aber irgendwann einfach nicht mehr. Ich habe mich anstecken lassen und habe mitgemacht. Ich habe zurückgeschubst, bin Leuten auf den Fuß getreten, habe Wege abgeschnitten, weggedrückt. Mein Puls ging hoch, die Anspannung stieg. Ich gab ekinen Zentimeter mehr her, ich ließ nichts mehr zwischen uns kommen. Wenn jemand einen Fuß vor mich stellte, stellte ich beide vor den Übeltäter. Wenn mich jemand gegen den Arm drückte, verlagerte ich mein ganzes Gewicht. Wenn jemand versuchte, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen, stemmte ich meine gesamte Masse von knapp 90 Kilo dagegen. Ja, Leute, nicht mehr mit mir. Ihr wollt das so haben? Ihr könnt es haben.
Und weil ich das alles nicht gerne gemacht habe, sondern nur aus einer defensiven Haltung heraus, rutschten mir auch hier und dort mal bösartige Vokabeln über die Lippen.
Am letzten Stück der Treppe angekommen, ebendiese war jetzt nur noch schmal genug für eine Person, wurde das wieder ein bisschen entspannter. Leute versuchten zwar immernoch vergeblich, dämliche Überholmanöver zu starten, scheiterten aber an ihrer eigenen Dämlichkeit (da sowieso kein Platz war). Ab huer konnten wir dann auch wieder ein paar Bilder machen.
Das Bild mit den Löchern sagt eigentlich nichts aus. Es sind einfach nur Löcher im Stein. Ich muss sie dennoch zeigen, weil JEDER, absolut JEDER seine Finger reingesteckt hat und dabei irgendwelche erstaunten „AH“ und „OH“ Laute von sich gegeben hat. Herrje, es sind nur Lächer im Stein. Was für ein Wunder!
Am Fuße des Buddhas angekommen, war vom Gedränge nicht mehr viel zu spüren. Irgendwie war es ab hier sogar recht angenehm. Wir konnten noch ein paar Bilder machen und einfach mal den Anblick auf uns wirken lassen.
Die Dimensionen sind schon beeindruckend und es fühlt sich seltsam an, vor so einem Riesen zu stehen. Interessanter Fakt: Die ursprüngliche Intention hinter der Errichtung war, durch Buddhas Präsenz den anliegenden Fluss zu beruhigen. Tatsächlich gelang das auch vermutlich aber eher durch das abgetragene und im Fluss deponierte Geröll. Aus dieser Tatsache kann man auch als Religionskritiker etwas ziehen, denke ich 😉
Mir fiel dann leider ein, dass wir leider auch wieder hinauf laufen müssen. Das war dann der Part des Tages, der nicht so ganz zufriedenstellend war. Wir kamen zwar an einigen, in natürliche Höhlen geschlagenen, Sitz- und Ausruhmöglichkeiten vorbei, der Aufstieg war für mich trotzdem beschwerlich. Ich schwitzte wie ein Esel. Schon wieder Treppenstufen…
Anschließend erkundeten wir noch den Rest des Geländes (sparten aber das Touristendorf aus), erhaschten einen Blick von der anderen Seite und machten uns dann auf den Weg zurück nach Chengdu. Das alles verlief ohne Zwischenfälle und ohne erzählenswerte Erlebnisse.
Das war unser letzter Tag in Chengdu, als nächstes kommt die alte Kaiserstadt Xian an die Reihe. Wie die Fahrt dorthin verläuft und was uns da alles passiert ist, gibt es dann beim nächsten Mal. Bis dahin!