Das war sie also, meine erste Nacht in Manila. Meine erste Nacht außerhalb Europas. Meine erste Nacht ganz weit weg. Aber fangen wir von vorne an…
Am Flughafen
Ich habe die Nacht vor meinem Abflug nur eine Stunde geschlafen -von 4:30 Uhr bis 5:30 Uhr gab ich mich dem Matratzenhorchdienst hin-, ansonsten war ich noch damit beschäftigt, irgendwelche Dinge zu machen, ein paar Spiele vom Desktop-PC auf das Notebook zu kopieren, mein letztes Vollbad zu nehmen und mich wachzuhalten. Ich wollte nicht schlafen. Ich war so aufgeregt. Oh ja.
Um 6:45 Uhr ging die Fahrt zum Flughafen los. Wir kamen gut durch und ich konnte um kurz nach 8 bereits einchecken. Mir blieb dann also noch ein bisschen mehr als eine Stunde mit meiner Familie und meinem (Ex-)Mitbewohner. Zu meiner Überraschung tauchte auch noch meine Schwiegermutter in spe auf, was mich sehr gefreut hat. Das hat die Runde auch nochmal etwas aufgelockert.
Die große Verabschiedungsrunde fiel dann gewohnt klischeehaft aus. Jeder weint, jeder ist traurig und jeder dementiert, wie Nahe es ihm geht. Ich rede da jetzt so leichtfällig daher, aber es fiel mir überhaupt nicht leicht. Ich liebe meine Familie und es ist eine neue und schwere Erfahrung, sie so lange nicht sehen zu können. Da will ich ganz ehrlich sein.
Im Securitycheck dann die erste Überraschung. Mein Buch wurde raussortiert und ich wurde freundlich aufgefordert, meine Sachen zusammenzupacken und „unauffällig“ zu folgen. In einem Nebenraum wurde eine Art Abstrich von meinem Buch gemacht, in ein Gerät gehalten und ich anschließend mit den Worten „Alles in Ordnung“ verabschiedet. Ich ließ mich aber nicht abwimmeln und fragte nach, was das hier jetzt gewesen sein soll. „Sprengstoffkontrolle“, war die Antwort, „reine Routine“. „Ach, und den verstecke ich dann in meinem Buch?“ fragte ich ungläubig. „Nein, nein, aber Spuren davon haften am Buch, wenn Sie Kontakt hatten“. Naja, meinetwegen. Kann man mir ja auch sagen, bevor man mich behandelt wie einen gesuchten Bombenleger. Ich ging weiter zum Gate.
Der Flug
Ich war einer der Ersten an Bord der 747-400 von China Airlines und konnte so in aller Ruhe meinen Platz suchen und mein Gepäck verstauen. Hinter mir saß so ein merkwürdiger Mann in den Fünzigern, der sich plötzlich und unerwartet neben mich setzte, nur um dann doch noch einen Platz nach links zu rutschen. Er erzählte der Stewardess, die ihn verscheuchen wollte um den urprünglichen Bordkarteninhaber auf seinen Platz zu lassen, er könne nur dort sitzen, sonst wird im schlecht. Ich habe nicht ganz verstanden, was genau jetzt sein Bedürfnis war. Er erklärte mir danach noch (ungefragt), dass ihm schlecht werden würde wenn er in der Mitte sitzt, aber einen Platz weiter links wäre das in Ordnung. Zur Verdeutlichung:
Der rot markierte Platz (53G) war meiner. Zwei Plätze weiter links fühlte er sich wohl, nur einen Platz links von mir beschwerte er sich darüber, dass ihm schlecht werden würde. Komischer Typ. Kurz nach dem Start ging er in den vorderen Teil der Maschine auf einen leeren Platz.
Vor mir saß ein Pärchen mit zwei jungen Töchtern, ca. 3 und 5 Jahre alt, würde ich sagen. Die hatten so ein bisschen Beef miteinander, das war von Zeit zu Zeit eine willkommene Abwechslung. Rechts von mir ein älterer Herr der sehr sympathisch aussah und großen Gefallen am Rotwein fand. Zumindest schüttete er sich davon im Verlauf der Reise ununterbrochen etwas in den Hals.
Nach der Enteisung kamen wir endlich zum Start -45 Minuten Delay. Ich machte mir ein bisschen Gedanken um meinen Anschlussflug in TPE, schließlich waren dafür nur 90 Minuten einkalkuliert. Aber was solls, es kommt immer alles so, wie es kommen soll.
Der Start war großartig! Wie schon erwähnt, es war mein erster Flug, und dieses Gefühl, in den Sitz gedrückt zu werden, wow, das war geil. Baut jemand einen Flugzeugstart-Beschleunigungssimulator? Ich kaufe ihn, sofort!
Der weitere Flug verlief ereignislos. Ich schaute „Maze Runner“ (nicht so cool, wie er hätte sein können, vorhersehbar), „Gulliver’s Reisen“ (Jack Black schadet nie) und „Guardians of the Galaxy“ (großartiges Teil!).
Mit China Airlines bin ich sehr zufrieden. Service und Sicherheit waren top, das vegetarische Essen sehr gut, das Personal mit Beverage nicht geizig und, der allerwichtigste Punkt: ES WIRD SO EIN GROßARTIGER KAFFEE AUSGESCHENKT, ICH FÜHLTE MICH WIE IM PARADIES! In einem Flugzeug? Ja, in einem Flugzeug. Keine Ahnung ob das Zauberbohnen waren, superchemische Instantlösung oder Einhornpipi im Wasser -es war so ein guter Kaffee! 9/10 Bäckereien kriegen es nicht hin, einen Pott Kaffee auszuschenken, der auch nur halbwegs so gut schmeckt. Ehrlich!
In Taipei dann Transfer in eine andere Maschine (eine A330-300), alles irgendwie kleiner. Ich wollte zurück in meine Boeing, die war cooler. Wegen irgendeinem Check-Firlefanz hatten wir hier auch wieder Delay von über einer Stunde + Warteschleife aka Stadtrundflug über Manila. Ich landete dann schlussendlich um 11:25 Uhr statt um 9:40 Uhr. Ich war fast 24 Stunden unterwegs, habe nicht geschlafen und war einfach total am Ende. Nach 30 Minuten anstehen für den Immigration Service bekam ich den Stempel in meinen Pass und war also eingereist. In meine neue Wahlheimat auf Zeit. Nach der chaotischen Gepäckausgabe begab ich mich vor die Tür, wo die donnernde Faust des tropischen Klimas mir mit meinem Unterhemd, Shirt, Hoodie und Regenjacke so richtig eins in die Fresse gegeben hat. Über 30°C und Sonnenschein, here we go!
Welcome to Manila
Nachdem ich Mimi gefunden hatte, suchten wir uns ein Taxi. Schon die erste Straßenüberquerung war für mich ein Erlebnis. Da donnern LKWs und Busse und Autos über eine mehrspurige Straße, deren Autorität kein Fußgänger in Deutschland jemals in Frage stellen würde. Der Manila way-of-life ist da allerdings anders. Man geht einfach, notfalls werden ankommende Fahrzeuge eben wild-winkend angehalten. Was klingt wie wilde Anarchie und unglaubliche Lebensgefahr, funktioniert aber tadellos. Zum Straßenverkehr habe ich auch noch einen Haufen Theorien, die breite ich aber an anderer Stelle noch mal genauer aus.
Am Straßenrand standen Männer, die sehr eifrig dabei waren, uns ein Taxi zu besorgen. Dafür sprangen sie ihrerseits wild gestikulierend auf die Fahrbahn, um eine Mitfahrgelegenheit anzuhalten. Mit dem Kleingeld, dass sie dann vom Fahrer und/oder dem Fahrgast bekommen, verdingen sie sich ihren Lebensunterhalt.
Die Taxifahrt vom Flughafen in die Nähe unserer Wohnung zeigte mir ganz viele und wilde und bunte Eindrücke. Ich hätte am liebsten mitgefilmt oder gleich tausende von Bildern gemacht. Da stehen große, schicke Häuser, ein paar Meter weiter Blechhütten, dann wieder Häuser. Kleine, große, ordentliche, ranzige. Alles. Und vor allem: Alles durcheinander. Flickschusterei betreibt den Baustil, der hier vorherrscht, wohl am Besten. Und ich meine das keineswegs nur negativ: Manche Sachen sehen so obskur aus, dass sie dadurch ihre ganze eigene Schönheit entwickeln. Klar, der Anblick der Halle in Terminal 1 am Flughafen zwingt 7 von 10 deutschen Handwerkern zum Alkoholismus und führt bei 10 von 10 Brandschutz- oder Sicherheitsbeauftragten zum sofortigen Kollaps. Aber vielleicht sehen die das hier auch nicht alles zu locker, sndern wir in Deutschland alles zu eng?
Ich möchte mich nach den lächerlich wenigen Eindrücken die ich bisher gesammelt habe aber noch nicht festlegen und schon gar nicht urteilen. Das steht mir nicht zu. Zu gegebener Zeit und mit mehr Erfahrung, werde ich die eine oder andere Besonderheit hier aber sicherlich genauer erläutern können.
Meine ersten 24 Stunden
In unserer Wohnung angekommen, bestand der Rest des Tages eigentlich fast ausschließlich aus rumlungern. Ich war total im Eimer. Neben dem normalen Jetlag plagte mich auch mein Schlafentzug der vorangegangenen Tage. So verdöste ich den restlichen Tag bei schwüler Hitze in einem Wach/Schlaf-Wechsel.
Geschlafen habe ich anschließend unglaublich gut, muss ich sagen. Die Hitze in Deutschland macht mir im Sommer immer schwer zu schaffen, besonders nachts. Das hat erstaunlich gut geklappt. Wenn das so bleibt, dann sehe ich für mich und das tropische Klima doch noch Hoffnung auf ewigen Frieden.
Heute morgen habe ich Mimi zur Arbeit gebracht, damit ich überhaupt mal vor die Tür komme (ich trau mich noch nicht,weil ich mich hier nocht nicht zurechtfinde und ohne Googlemaps oder Kenntnisse von Landmarks, ist mir das dann doch zu heikel). Anschließend hab ich eine Versuchsreihe mit der Kaffeemaschine und dem Pinoy-Kaffee gestartet. Dieses Zeug ist so…grobkörnig gemahlen. Der erste Versuch war dementsprechend ernüchternd: Man brauch hier einfach mehr, um auf die gleiche Oberfläche zu kommen und dem Kaffee so sein Aroma zu entlocken. Im zweiten Anlauf hats dann geklappt. Das Ergebnis schmeckte nicht schlecht, aber war auch kein großes Highlight. Ich kann das trinken, es schmeckt besser als die Plörre, die manche meiner Kolleginnen auf Arbeit fabriziert haben (Nicht böse gemeint, gell? :D), aber da ist noch Luft nach oben. Ich gebe nicht auf!
Ausblick
Ihr habt euch jetzt durch einen ganz schön langen Beitrag gequält. Glaubt mir, auch das Schreiben hat eine Weile gedauert. Heute Abend fahren wir etwa 100km in Richtung Norden und verbringen da das Wochenende. Mimi erzählte etwas von einem Laternenfest, dass bei den Residents wohl sehr beliebt ist. Außerdem vernahm ich das Wort „Wasserpark“ aus ihrem Munde. Yeeeehaa!
Ich habe natürlich kein Schreibgerät dabei, deswegen müsst ihr euch bis Montag gedulden. Vielleicht schaffe ich es aber, ein paar Schnappschüsse zu präsentieren =)
Alles in allem: Vielen Dank fürs Lesen und jedem von euch ein wunderschönes Wochenende!
Gorksn 12. Dezember 2014
Hey,
freut mich das du heil angekommen bist und mit deiner Mimi wieder vereint bist. Sorry das ich es vorher nicht geschafft habe dich nochmal live und in Farbe zu sehen (Vielleicht ergibt sich da nochmal was ;P).
Halt uns auf den laufenden, Südost-Asien (eigentlich generell Asien) ist eine Ecke die mir noch total fremd ist. Freue mich schon auf deine nächsten Erfahrungsberichte.
Viel Spaß und viel Erfolg da drüben.
Ollewah 15. Dezember 2014 — Autor der Seiten
Danke Gorksn!
Wir schaffen das schon noch, wenn ich mal wieder da bin. Dann schickste deine Eltern in den Urlaub und wir machen ne Revival-Pool-Party 😀